13.09.2022

Stimmen - Abstimmen 1971 bis 2021

Maturaarbeit von Livia Beeler

Livia Beeler präsentiert ihren berührenden und bewegenden Film in der Aula im Theresianum:

Samstag, 17. September 2022, 17:00 Uhr, Aula im Theresianum
Eintritt frei!

Nicht verpassen!


Das schreibt Livia in ihrem Artikel:

Genau 50 Jahre nach der Einführung des Frauenstimmrechts schrieb ich meine Maturaarbeit. Genau 50 Jahre nach der Einführung des Frauenstimmrechts stand ich selbst vor meiner ersten Abstimmung. Als mir das bewusst wurde, stand für mich fest, mit welchem Thema ich mich in meiner Maturaarbeit befassen wollte! Der «Interviewfilm», der dabei entstanden ist, zeigt vier Grossmutte r-Enkelinnen-Paare, die gemeinsam über die Themen «Rückblick», «Die erste Abstimmung», «Kämpferinnen», «Veränderung», «Jubiläum» und «Generationen» diskutieren.

Selbst einen Film zu drehen war für mich absolutes Neuland und ein sehr spannendes Projekt. Nachdem ich mich zuerst intensiv mit dem historischen Hintergrund des Themas sowie der aktuellen Situation in Bezug auf die politische Partizipation der Frauen in der Schweiz befasst hatte, wagte ich mich an die praktische Umsetzung meiner Idee. Das Finden von passenden Interviewpartnerinnen war dabei der erste Schritt. Vier Grossmütter und deren vier Enkelinnen mit Jahrgang 2003, das war die Grundvoraussetzung für meinen Film. Hätten die Interviewten jedoch alle die gleiche Meinung zum Frauenstimmrecht gehabt und den Abstimmungskampf gleich erlebt, wäre der Film nicht interessant geworden. Ich wollte deshalb bewusst nicht nur Grossmütter befragen, die 1971 für das Frauenstimmrecht waren oder sogar dafür gekämpft hatten. Diese hatten nämlich schon in zahlreichen Formaten, die im vergangenen Jahr gezeigt wurden, von ihren Erlebnissen erzählt. Also suchte ich nach vier Grossmüttern mit möglichst unterschiedlichen Profilen. Die ausgewählten Frauen unterschieden sich in ihrem Beruf, ihrer Familiensituation und auch in ihrem Wohnkanton, da sich aus den Abstimmungsergebnissen von 1971 schliessen liess, dass es grosse regionale Unterschiede in Bezug auf die Meinung zum Frauenstimmrecht gab.

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Wenn ich nach dem Highlight meiner Maturaarbeit gefragt werde, muss ich jeweils keine Sekunde überlegen. Das Drehen der Interviews war für mich unglaublich interessant. Die Begegnungen mit diesen Frauen waren alle einzigartig und ich wurde überall sehr freundlich in Empfang genommen. Wie offen und bereitwillig mir die Frauen Auskunft über ihre Erfahrungen, Haltungen und Wünsche gaben, war beeindruckend und überhaupt nicht selbstverständlich.
Besonders schön war zu sehen, wie eng die Beziehungen zwischen den Grossmüttern und ihren Enkelinnen waren und wie verständnisvoll und interessiert die beiden Generationen miteinander umgingen. So meinte ein Grosi liebevoll zu ihrer Enkelin: «Du bist jung. Du siehst das wieder anders». Und eine andere Enkelin erklärte ihrem Nani begeistert: «Es ist Wahnsinn, wie sich die Frauen deiner Generation in den letzten 50 Jahren entwickelt haben». Während und unmittelbar nach den «Dreharbeiten» gab es immer wieder besondere Momente, an die ich mich gerne zurückerinnere. Ein Kommentar, der mich immer noch zum Schmunzeln bringt, kam vom Ehemann einer Grossmutter. Dieser backte Aprikosenwähe für uns, während wir im Wohnzimmer mit dem Interview beschäftigt waren. Offenbar hörte er uns dabei zu, denn er sagte bei der Verabschiedung: «Wow, das war ja spannend. Bei deiner nächsten Arbeit kannst du dann einen Film über Grossväter und ihre Enkelinnen machen, da wäre ich sofort dabei.»

Während meines Arbeitsprozesses musste ich immer wieder Prioritäten setzen und zum Teil verschiedene Möglichkeiten gegeneinander abwägen. Oft ging es dabei um eine Entscheidung zwischen technischer und inhaltlicher Qualität. Kam ich in eine solche Situation, entschied ich mich in den meisten Fällen zugunsten des Inhalts. So habe ich beispielsweise die Interviews jeweils an einem Stück aufgenommen. Das erschwerte mir zwar das anschliessende Schneiden, dafür musste die Kamera während der Interviews nur ganz am Anfang und ganz am Schluss bedient werden und geriet dadurch schnell in den Hintergrund. Ich war beim Filmdreh allein und filmte in der Küche oder im Wohnzimmer der Protagonistinnen. Dadurch entstand eine vertraute und intime Gesprächsatmosphäre.

Nach den vier Interviews hatte ich 356 Minuten Filmmaterial, was definitiv zu viel ist für einen Film. Diese Menge an Filmmaterial auf knapp 50 Minuten zu kürzen, war sehr zeitaufwändig und eine der grössten Herausforderungen bei der Produktion des Films. Noch viel zeitaufwändiger und herausfordernder war jedoch der hundertjährige Kampf ums Frauenstimmrecht. 100 Jahre lang versuchten mutige Schweizerinnen erfolglos , die politische Gleichberechtigung der Frauen zu erreichen. Dank meiner Maturaarbeit ist mir bewusst geworden, wie jung die Demokratie, so wie wir sie heute kennen, ist. Auch merkte ich, wie viel die Kämpferinnen in Kauf nehmen mussten, als sie für mehr Gerechtigkeit kämpften. «Wer sich einsetzte, setzte sich auch aus», sagte eine der Grossmütter, die ich interviewte. Die Arbeit hat mein Bewusstsein in Bezug auf Gleichberechtigung geschärft und die Achtung gegenüber den unermüdlichen Kämpferinnen von damals vervielfacht. Ich werde meine Stimme nutzen und keine einzige Abstimmung auslassen.

Das ist es auch, was die Zuschauer*innen aus meinem Film mitnehmen sollen. Der Film soll sie dazu bewegen, ihre Stimme, also ihr politisches Mitspracherecht, zu nutzen. Ein Privileg, das Schweizerinnen erst seit 50 Jahren haben. Umso erstaunlicher ist es, dass die durchschnittliche Stimmbeteiligung der Frauen bei den Abstimmungen im letzten Jahr bei lediglich 53 Prozent lag. Das muss sich meiner Meinung nach unbedingt ändern. Der Film soll ausserdem das Verständnis zwischen den Generationen fördern. Generationenübergreifender Austausch ist sehr wertvoll und die eine Generation kann von der jeweils anderen viel lernen. Einander zuhören, einander Fragen stellen, miteinander diskutieren ist für beide Seiten eine Bereicherung. Der Film ermutigt also die junge Generation dazu, ihre Grosseltern nach Erinnerungen zu fragen, und regt die ältere Generation dazu an, sich auf politische Gespräche mit ihren Enkel*innen einzulassen. Und zu guter Letzt möchte ich mit dem Film erreichen, dass die Zuschauer*innen über Themen wie Abstimmen, Gleichberechtigung, Rollenbilder und Veränderung nachdenken und miteinander darüber diskutieren!

Livia Beeler, GYM 4B

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Autor: Daniel Steiner