Agnes Christina Barmettler

Gross, stark und gut werden, sein und bleiben dürfen alle Menschen. Beherzt bescheiden werden, sein und bleiben auch.

Agnes Barmettler zeichnet sich durch ihre besondere Beziehung zur Kunst und Natur aus. Das Labyrinth begleitet sie nun schon über 45 Jahre und durch diese mystischen, verschlungenen Linien vollbringt sie mit ihren Kunstwerken kulturschaffende Begegnungszentren für die Bevölkerung, unter anderem in der Schweiz und in Deutschland.

Wofür sind Sie als ehemalige Schülerin des Theresianums besonders dankbar?

Von klein auf habe ich schon gern gezeichnet und auch gerne viel gelernt von den Klosterfrauen aus Ingenbohl und meinen Lehrerinnen in unserer Dorfschule von Engelberg. Ich wollte mich weiterbilden, später Ärztin werden. Aber an meinem damaligen Wohnort durften Mädchen damals nicht ins Gymnasium der Klosterschule und die Berufsberaterin versuchte mir das auszureden: «„In unserem Kanton geht das nicht. Du musst von zu Hause fort, das kostet viel Geld und dann heiratest du, bekommst Kinder.“»
Deshalb bin ich noch heute meinen Eltern und meiner Lehrerin dankbar, die dafür sorgten, dass ich im Theresianum meine gewünschte Weiterbildung bekam und dazu noch eine überraschende, vor allem von ermutigenden, selbstbewussten Frauen! In diesem Mädchen-Internat gab es nebst Klosterschwestern viele heranwachsende Frauen aus unterschiedlichen Familien und Sprachregionen der Schweiz und auch diverse Bildungsangebote für den Einstieg in ein künftiges Berufsleben. Für die internen Schülerinnen kam tägliches Miteinanderleben unter einem Dach dazu. Da konnten wir auch voneinander viel Wissenswertes lernen und in gegenseitiger Reibung auf eine neue Art erfahren, wie ein gutes Zusammenleben gelingen könnte. Dafür war und bin ich dankbar, vor allem für die gemeinschaftlichen Anlässe.

Was hat Sie zum Abbruch des Medizinstudiums bewogen und wie sind Sie zu Ihrem künstlerischem Schaffen gelangt?

Immer schon habe ich alles um mich herum genau beobachtet und wollte mir ein Bild machen, wie die Welt wirklich ist und warum Menschen so unterschiedlich miteinander und mit dem, was da ist, umgehen. Beim Zeichnen lernte ich ihre und meine Ansichten und Empfindungen von Freude und Leid besser zu verstehen. Ich interessiere mich für die vielfältigen natürlichen Gegebenheiten und wie Menschen damit mehr oder weniger gut zurechtkommen. Das Medizinstudium schien für mich als Beruf die richtige Wahl. Abgebrochen habe ich es schon bald und mich in Richtung bildende Kunst entschieden, obwohl man mir einreden wollte, das sei eine Freizeitbeschäftigung, ein brotloser Beruf. Zeichnungslehrerin wollte ich nicht werden, aber es gab damals in der Schweiz keine bessere Möglichkeit, um diverse handwerkliche Techniken mit entsprechenden Werkzeugen zu lernen, hilfreich bei jedem Material, das man bearbeiten möchte. Das hat mir nicht nur bei den nötigen Einrichtungen für Wohnung und Werkstatt geholfen, sondern auch später beim Bau von Labyrinthen.

Das Labyrinth kommt in Ihrem Lebenslauf als ständiger Begleiter immer wieder vor. Welche Verbindung haben Sie zu dieser besonderen Form von Linien und Wegen?

Das Labyrinth begleitet mich schon über 45 Jahre und hat mir mit seiner innewohnenden Weisheit einige wertvolle Einsichten geschenkt und mir auf meinem Lebensweg überraschende Wendungen gezeigt.
Das Labyrinth ist ein komplexes Bild, das wesentliche Lebensgesetze in sich birgt. Als Erbe der Menschheit ist es überliefert von einigen Kulturen rund um den Globus. Innerhalb seiner bisher erforschten 5000- jährigen Geschichte wurde es immer wieder neu gedeutet und unterschiedlich gebraucht. Besondere Beachtung bekam dieses Urbild in Not- oder Wendezeiten, die von den Menschen eine Neubesinnung zum eigenen Lebenswandel fordern.
Die überlieferte Weisheit des Labyrinths könnte auch jetzt eine notwendige Orientierung sein für beherzte Schritte auf einem gangbaren Weg in eine global verträglichere Zukunft.

Sie sind gerne im Garten. Hat die Natur eine wichtige Bedeutung für Sie?

Wie alle anderen Wesen gehöre ich zur Natur und fühle mich als Teil davon ganz gut beheimatet auf dieser Erde. Hier auf dem Land werde ich reichlich versorgt von ihr mit dem, was ich zum Leben brauche. Da ich auf diverse Arten nicht nur in der bBildenden Kunst freischaffend bin, bekomme ich im Verlauf meiner verschiedenen Tätigkeiten nicht nur im Garten genug Abwechslung beim Schauen, Hören, Staunen, Nachdenken und Träumen. Allein und natürlich auch im Austausch mit irgendwelchen Leuten hier oder unterwegs mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Ich liebe meine Arbeit und die damit verbundenen Begegnungen mit vielen Menschen, die irgendwie kreativ unterwegs sind in verschiedenen Lebensbereichen. Beim Alleinsein erlebe ich oft ein unsäglich grosses Glücksgefühl über die grosse Verbundenheit mit allem was lebt. Inspirierende Ausgleichsmöglichkeiten gibt es überall. Belebend ist lesen, mit Kindern spielen, Musik hören, singen, lachen .... oder einfach in aller Ruhe nachsinnen bei einem Waldgang, irgendwo schwimmend im erfrischenden Wasser und natürlich erhole ich mich meist schlafend in einer stillen Nacht.

Sie waren des Öfteren bei den Hopi-Indianern. Was fasziniert Sie an dieser Kultur?

Bei meiner ersten Amerika Rreise (1977), unterwegs zum Grand Canyon, sah ich im Museum in Flagstaff eine Ausstellung mit wunderbar kunstvollen Arbeiten der Hopi sowie Fotos von ihren Felszeichnungen und von Ausgrabungen ihrer prähistorischen Siedlungen. Wo lebt die Urbevölkerung dieses Kontinents und wie leben diese Hopi mit so einer Hochkultur jetzt? Vor dem Abgrund des Grand Canyon blickte ich in die Tiefe und über die endlos weite, karge und trockene Hochebene und so suchte ich auf der Landkarte, wo diese Menschen wohnen. Painted Desert stand da mitten im dort eingegrenzten Hopi Reservat. Wie konnte dieses Volk seit Jahrhunderten in einer so abgelegenen Gegend unter schwierigsten klimatischen Bedingungen überleben? Das wollte ich wissen und sofort dorthin fahren. Aber meine Begleiter meinten: «"Die Hopi dulden keine weissen Besucher in ihrem Reservat."»
Die Gastfreundschaft, die ich später von diesen bescheiden lebenden Menschen erfahren durfte, ist ein wesentlicher Teil ihrer Kultur.

Haben die Hopi-Indianer Ihr künstlerisches Wirken beeinflusst?

Bereits nach dieser Reise habe ich nur Eindrücke von dem weiten und schönen Land gemalt und in meine Bilder einige Zeichen der Hopi Bildkunst integriert. Auf diese Weise lernte ich diese Zeichen in Verbindung mit dem Land und den dortigen Lebensbedingungen zu sehen, konnte nun besser erkennen, welche wesentlichen Aspekte des Lebens in diesen abstrakten Zeichen dargestellt sind, ganz ähnlich wie beim Labyrinth. Jemand brachte mir ein Taschenbuch zu den damaligen Aufständen in verschiedenen Reservaten. Zu den Hopi gab es in dem Buch nur eine Zeichnung, darunter eine kurze Bedeutungs-Eerklärung, die ihre Lebenshaltung und spirituelle Aufgabe in dieser Welt kennzeichnet.
Bild des Hopi-Schildsymbols: «"Zusammen mit andern Völkern beschützen wir Land und Leben und halten die Welt im Gleichgewicht".»
Dieses Hopi Schildsymbol und meine Bilder öffneten mir schliesslich auf Umwegen den Kontakt zu einer Hopi- Frau, die mich 1979 eingeladen hat zu kommen und mit der Familie in ihrem Haus zu leben.

Sie haben beim Film zu den Hopi-Indianern mitgewirkt. Wie sind Sie dazu gekommen?

Nachdem ich schon mehrmals im traditionellen Hopi -Dorf Hotevilla mit ihnen gelebt, gearbeitet und einige ihrer Ältesten auch in Europa begleitet hatte, fragten sie mich 1985, ob ich ihnen helfen könnte, einen Film zu machen, um den Nachkommen die Grundlagen der Hopi- Kultur und ihre Geschichte aus eigener Sicht als Erbe zu hinterlassen. Mit diesem Medium könnten sie kommenden Generationen das notwendige Wissen mündlich überliefern und es teilweise auch sichtbar machen für all jene, die sich ebenfalls für eine Hopi -Lebensweise interessierten.
Anka Schmid, die studierte damals an der Filmakademie Berlin studierte und dort hatte sie bereits einige Kurzfilme realisiert hatte, besuchte uns sofort im Hopi-Lland. Dort entschloss sie, für dieses Projekt ihr Studium zu unterbrechen. Im Jahr darauf erarbeiteten wir in der Schweiz die von den Ältesten gewünschten Inhalte für das Drehbuch zusammen mit ihrem Hopi Vertrauensmann, unserem Koautor James Danaqyumptewa.

Was möchten Sie den Schülerinnen und Schülern des Theresianums mitgeben?

Gross, stark und gut werden, sein und bleiben dürfen alle Menschen. Beherzt bescheiden werden, sein und bleiben auch.

Mehr Infos

Detaillierter Lebenslauf online unter:
https://www.sokultur.ch/html/kulturschaffende/suche.html

Film «„Labyrinth-Projektionen“» Oonline unter:
https://www.artfilm.ch/de/labyrinth-projektionen

Interessante Beiträge über Labyrinthe auf der Welt Oonline unter:
https://www.labyrinth-international.org/startseite.html

Trailer Film «„Techquaika»“ online unter:
https://vimeo.com/ondemand/techquaikachi

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Agnes-Christina Barmettler
Geboren am 23.01.1945 in Stans (NW)

Wohnort
Aufgewachsen In Engelberg
Aktuell wohnhaft In Wölflinswil

Ausbildung
1959-65 Gymnasium Theresianum Ingenbohl
1966-69 Künstlerische Ausbildung an der Allgemeinen Gewerbeschule Basel, Fachklasse für Zeichenlehrer
1978 Eidgenössisches Kunststipendium
Ab 1970 Autodidaktische Studien von Zeichen; Raumgestaltung mit Leuten aus den Bereichen Theater, Tanz, Film usw.

Auszeichnungen und Tätigkeiten
1970-2009 Freischaffend in bildender Kunst, Malerei, Zeichnung, Film, Design und Bau von Labyrinthen
1970-77 Längere Aufenthalte in Paris, Wien, Skandinavien, Norddeutschland, Italien
1971 Mitgründerin des Oltner Kunstmarktes
1972 Förderungspreis des Kantons Solothurn
Ab 1973 Arbeit mit dem Labyrinth, Symbol- und Zeichenforschung mit Rosmarie Schmid
1977 Erste USA-Reise und erster Kontakt mit der Kunst der Hopi-Indianer
1979-2005 Mehrere Aufenthalte im Land der Hopi (Arizona/USA)
1985 Werkpreis des Kantons Solothurn für «Labyrinth», einer Rauminstallation aus Arbeiten von 10 Schweizer Kunstschaffenden
1989 Mit Anka Schmid und Danaqyumptewa Hopi-Dokumentarfilm «Techqua Ikachi - Land mein Leben»
1990 Werkpreis des Kantons Solothurn (mit Anka Schmid) für den Film «Techqua Ikachi, Land – Mein Leben»

1991 «Projekt Labyrinth», Texte und Zeichnungen (Labyrinth-Platz, Zürich, Langnau a. A.)
1991 Mitinitiantin von «labyrinth-international.org», öffentliche Frauenplätze

1993 Beitrag «Jura-Aare und die Nebel» mit 6 farbigen Abbildungen in «Solothurner Radwanderweg». Hrsg. vom Kanton Solothurn (Kümmerly & Frey, Bern)
1997 «Labyrinth-Projektionen». Video. Mit Anka Schmid
2001 Werkpreis der Stiftung Obwaldner Kultur
2002 «Das Labyrinth – eine Liebesgeschichte, kreativer Prozess, Kulturmuster, Kommunikationsmodell» Beitrag im Buch: «Das Labyrinth oder die Kunst zu wandeln», Hrsg. von Ilse Seifried, Haymon-Verlag, Innsbruck